Mittwoch, November 22, 2006

woher kenn ich Péter Esterházy?

Es war später Montagabend als ich mit einem tübinger Bus in miene Konservenbüchse zurückfuhr. In meinem Körper hatte sich ein Virus eingenistet und in der für seine Gattung typischen Manier vermehrt und ausgenommen. Meine Imunabwehr führte einen erbitterten Kampf gegen die heimtükischen Biester, während ich müde von der langen Zugfahrt nicht zwischen fremden Leibern einzuschlafen versuchte.
Vor mir hing ein Poster mit zwei Namen, die mir keine Ruhe ließen: Terézia Mora und Péter Esterházy.
Irgendwie kamen sie mir verdächtig bekannt vor. Da sich meine Gehirn auch ohnehin aus dem oben genannten Grunde weigerte, so zu arbeiten, wie ich es mir normalerweise wünschen würde oder zumindest erhoffe (es tut sowieso nie das, was ich will. Denkt ganz eigenständig - Nicht immer zu meinen Gunsten oder zu denen meiner geistigen Gesundheit), beschloss ich einfach, falls ich mich dann noch daran erinnern würde, zu den Lesungen der beiden zu gehen. Schließlich mag ich Lesungen, Autoren sind mir irgendwie sympatisch (wer weiß wieso) und einen Fernseher hab ich auch nicht, also muss ich mir sowieso eine Beschäftigung für den Abend suchen.
Wunder oh Wunder, am Dienstagabend wusste ich immernoch von meinem Vorhaben und ich erinnerte mich sogar noch daran, als die letzte Vorlesung fertig war.
Also legte ich einen Hustenstiller nach, schneuzte mich ausgiebig und betrat den Kupferbau. Irgendwie bin ich jedes mal, wenn ich zu einer Vorlesung gehe, erstaunt, dass so viele Menschen da sind. Denn würde man den üblichen Vorurteilen folgen, müsste man zu der Vorstellung gelangen, dass Lesen aus der Mode gekommen ist und Belletristik sowieso niemanden mehr interssiert; Romanautor ist kein Beruf sondern ein Hobby, das mit viel Glück zu einer Berufung wird. Wieso gehen da also so viele Menschen hin? Ist die Hoffnung doch nicht verloren? Wird in Deutschland noch gelesen? Und wenn ja, dann von wem? Doch nicht etwa von der jungen, lustlosen, computerfixierten Generation? - Alles Fragen, die einen eigenen Thread wert wären, wenn ich die nötige Lust aufbrachte, diesen zu schreiben. (hab ich das nicht schön relativistisch ausgedrückt?)
Jedenfalls saß ich in dem riesigen bunt besetzten Auditorium und fragte mich immernoch: "wer ist Esterhazy und woher kenn ich ihn?"
Die Wer-Frage war schnell beantwortet. Esterhazy ist ein ungarischer Schriftsteller, hat demensprechend Bücher verfasst und diese haben sich auch gut verkauft, wurden in 15 Sprachen übersetzt und er hat einige bedeutende (aber auch einpaar nebensächlichte) Preise verliehen bekommen. Die Beschreibungen auf den Buchrücken klangen recht vielversprechend, sodass ich sogar einige Zeit mit dem Gedanken spielte, mir eins anzuschaffen. Aber eben nur kurz, da ich nicht nur eine arme Studentin, sondern habe sowieso noch viel zu viele ungelesene Bücher im Regal stehen.
Die Vorlesung war wundervoll! Er brachte auf bezaubernde, mitreißende und humoristische Weise die Weltanschauung eines Schriftstellers näher. Er eklärte, dass er nur noch in Sätzen denkt. Die Umwelt über Sätze wahrnimmt und interpretiert oder sich von ihr zu Sätzen inspiriert fühlt. Den Vergleich der deutschen Sprache mit einer risiegen segeltuchartigen Unterhose wage ich hier gar nicht erst zu erläutern. Ich weiß nicht mehr genau, was sagte, obwohl ich mir so vieles merken wollte. Mir ist (fast) nur das Gefühl gegenwärtig, das sein Vortrag bei mir hinterlies: ein warmes, angenehmes Gefühl der Freude und der Faszination von ihm und von der Sprache.
Es war wie das Erkunden der Welt mit einem neuen Sinn, dem Wort.
Ich freue mich auch auf die Fortsetzung seiner Vortragsreihe, aber mich plagt immernoch die eine Frage: Woher kenn ich ihn?
Habe ich den Namen vielleicht irgendwo auf einem Buchdeckel gelesen? - möglich
Hab ich ihn irgendwo im Fernsehen oder im Radio (unwahrscheinlicher) gehört? - möglich
Habe ich ein Buch von ihm gelesen? - unwahrscheinlich, daran würde ich mich spätestens nach seiner Bibliographie erinnern
Habe ich den Namen irgendwann im Zusammenhang mit der Politik gehört, schließlich stammt er aus einem alten ungarischen Adelsgeschlecht? - möglich, aber unwahrscheinlich
Aus der Wikipedia weiß ich, dass zahlreiche Speisen mit dem Namen Esterhazy verknüpft sind. Kenne ich ihn vielleicht von einem Restaurantbesuch? - auch unwahrscheinlich; das hätte ich mir bestimmt nicht gemerkt.
Oder doch?
Ich weiß es nicht!!!
Womit ich wieder bei meiner anfänglichen Unsterstellung bezüglich meines Gehirns wäre: Es macht was es will.
Aber diesmal hat es mir durch seine assoziatoven Gedankengänge zu einem schönen Abend verholfen. Vielleicht sollte ich mich bei ihm dafür bedanken. Doch das wirft wieder eine schwierige Frage bei mir auf: Wie bedankt man sich bei seinem eigenen Gehirn?

Nachtrag:
Von einem gebildeten Heidelberger Politologiestudenten habe ich erfahren, dass er mir aus Budapest e-mails geschrieben hat, in denen er mir einiges über die Esterhazys erzält hat. Also, ich wusste, dass er mir über Budapest geschrieben hat, aber die Einzelheiten hatte ich nicht behalten. Er schien etwas zerknirscht angesichts meiner Gedächrtnisslücken.
Außerdem erzählte er mir, dass es in Budapest viele Plätze und Ore gäbe, die nach der weitverzweigeten Adelsfamilie benannt sind und dass auch manch Städte den Namen tragen.


Des weiteren erhielt ich gestern eine ganz liebe Postkarte, ebenfalls von einer besonders lieben Heidelberger Studentin, diesmal für Latein und Theologie. Sie schrieb, dass es eben ein Esterhazy sei, der mimt Prinzessin Sisi ausreite und Kaiser Franz in die Wogen der Eifersuct treibe. Den dazugehörigen Kultfilm habe ich zwar nie gesehen, da ich zu Schnunlzen eine eher geschlechtsuntypische Einstellung habe, aber es ist interessant zu wissen, wo diese Esterhazys überall auftauchen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

déjà vu! :)